Langer Weg zum Mahnmal für die Opfer der NS-Justiz
Unsere ursprüngliche Forderung nach einer Erinnerungstafel für die NS-Justiz-Opfer stößt drei Jahre lang auf beharrliches Ignorieren und vielfältigen Widerstand von Seiten der Mannheimer Justiz und der juristischen Fakultät der Universität.
Wir entwerfen einen Text für die Tafel, der die explizite Unterstützung von engagierten Persönlichkeiten, von allen Parteien des Gemeinderats, vom Oberbürgermeister, von Institutionen und Opferverbänden findet. Bei der öffentlichen Präsentation am 22. September 1999 sind zahlreiche Vertreter der Medien anwesend, außer dem Mannheimer Morgen. Ebenso erschien kein einziger der 200 persönlich eingeladenen Mannheimer Richter.
Für uns damals überraschend, erklärt im September 1999 der Präsident des Oberlandesgerichtes Karlsruhe, Dr. Münchbach, „er greife die dankenswerte Initiative als eigene Angelegenheit der Justiz gerne auf.“ Doch wir lassen uns nicht aus der Diskussion um den Text und die Inhalte des Gedenkens verdrängen.
Noch einmal dauert es drei Jahre mit intensiven Auseinandersetzungen vor allem mit der Leitung der Universität (Prof. Frankenberg) und der Juristischen Fakultät (Prof. Arndt) um den Wortlaut des Textes, um die Namensnennungen, den Aufstellungsort und letzten Endes um die Gestaltung nicht nur einer Tafel sondern eines Mahnmals.
Die sehr ernsthaften inhaltlichen Kontroversen entwickeln sich zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Münchbach und dessen Mitarbeiter Herrn Lotz und sowie mit Herrn Professor Schwarz von der Mannheimer Hochschule für Gestaltung, der das Mahnmal künstlerisch umsetzte.
Am 12. September 2002 wird das Mahnmal als ein Denkmal des Justizministeriums Baden Württemberg in Anwesenheit des Justizministers Ulrich Goll der Öffentlichkeit übergeben. Unseres Wissens gab es damals in der Bundesrepublik nur eine weitere Gedenktafel. Keine benannte die NS-Täter in der Justiz und ihre Nachkriegsgeschichte in dieser Deutlichkeit.
Das Mahnmal
Das Mahnmal steht auf einer Grünfläche, die von drei Seiten mit Justizgebäuden gesäumt wird. Der Westflügel der Universität mit der juristischen Fakultät, das Amtsgericht und auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Landgericht und das ebenfalls zur Justiz gehörende Palais Bretzenheim.
Es besteht aus zwei Stahlstelen, die sich in einem Abstand von ca. einem halben Meter gegenüber stehen.
Auf der vorderen Stele stehen die Namen der Opfer (Vorname, abgekürzter Nachname und Altersangabe) und in großen Buchstaben die Überschrift „Den Opfern der Justiz im Nationalsozialismus zum Gedenken“. Diese Schrift durchbricht den Stahl, so dass man hindurchsehen kann. Erkennbar wird dadurch der Text des Mahnmals, der sich auf der zweiten Stele spiegelt. Gleichzeitig spiegelt sich der Betrachter auf dieser blanken Stele.
Den Opfern der Justiz im Nationalsozialismus zum Gedenken.
Im Westflügel des Schlosses, in dem sich heute die Juristische Fakultät der Universität befindet, und in den Sälen des Amtsgerichts und Landgerichtes haben von 1933-1945 das Sondergericht, der Volkgerichtshof sowie Straf- und Zivilgerichte Unrechts- und Terrorurteile gefällt.
Viele Richter und Staatsanwälte verbreiteten in zahllosen Prozessen Angst und Schrecken und dienten damit der Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Diktatur. Keiner wurde dafür jemals bestraft. Die meisten amtierten in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wieder an Gerichten und anderen Justizbehörden.
73 Menschen wurden allein aufgrund der Urteile des NS-Sondergerichts Mannheim hingerichtet.
Hans H. (19 J.), Herbert R. (18 J.), Kurt K. (22 J.), Otto B. , Emil B. (23 J.), Friedrich D. (30 J.), Walter W. (37 J.), Michael M. (32 J.), Ludwig (25 J.), Paul H., Eugen B. (37 J.), Josef K. (20 J.), Heinrich H. (32 J.), Josef D.(37 J.), Karl M. (20 J.), Alois K. (19 J.), Felix L. (29 J.), Bernhard L. (52 J.), Ferdinand H. (21 J.), Drahoslav S. (21 J.), Roman M. (18 J.), Peter B. (33 J.), Willi H. (32 J.), Stefan Z. (48 J.), Erich S. (31 J.), Karl Friedrich D. (61 J.), Martin K. (58 J.), Stanislaus P. (39 J.), Willi M. (29 J.), Gottfried S. (55 J.), Otto R. (38 J.), Anton Georg G. (37 J.), Franz E. (42 J.), Anton G. (54 J.), Willy I. (34 J.), Fritz L. (47 J.), Erich F. (23 J.), Wilhelmine W. (25 J.), Ernst K. (28 J.), Bernhard O. (63 J.), Heinrich K. (20 J.), Leon D. (32 J.), Maria B. (27 J.), Johann T., Mateusz T. (22 J.), Rosa E. (30 J.), Margarethe S. (29 J.), Georg L. (48 J.), Sofie Sch. (44 J.), Georg G. (27 J.), Friedrich M. (52 J.), Josef M. (41 J.), Georg E. (45 J.), Richard H. (28 J.), Sylvain A. (25 J.), Pantelino K. (50 J.), Wolfgang Z. (20 J.), Gustav Z. (27 J.), Vinzenz F. (28 J.), Willi H. (30 J.), Willi S. (40 J.), Heinrich B. (34 J.), Wilhelm R. (29 J.), Franz R. (21 J.), Anrdreas G. (61 J.), Emilie G. (51 J.), Margarethe B. (53 J.), Maurice L. (21 J.), Theodor G. (39 J.), Johann R. (22 J.), Ignatz H. (37 J.) ,Roger V. (18 J.), Wilhelm F. (33 J.)
Auszüge aus der Rede des AK bei der Enthüllung des Mahnmals
Ich möchte mit einem Zitat aus einem Urteil des Mannheimer Landgerichts beginnen. Es erging 1983 gegen den Redakteur einer lokalen Alternativzeitung wegen Verunglimpfung der BRD:
„Er (der Angeklagte) hat im Wesentlichen behauptet, alle Nazi-Richter seien nach 1945 im Justizdienst belassen worden und sogar u.a. zum Oberstaatsanwalt und Bundesrichter befördert worden. ....“ Und weiter heißt es in jenem Urteil: „Jeder Bürger,... der gewillt und auch in der Lage ist, sich im Alltag nicht mit ideologisch verblendeten Augen umzuschauen,... weiß heut zutage,... dass die BRD und ihre verfassungsmäßigen Organe einschließlich der Justiz ... keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem NS-Regime haben, und dass diese angeblichen Gemeinsamkeiten, ...nur von kommunistenfreundlichen Linken immer wieder ausgestreut werden, in der Absicht, die BRD zu beschimpfen.”
Der Bestrafte ist Mitglied im Arbeitskreis Justiz. Dieser bildete sich allerdings erst später, vor ziemlich genau acht Jahren. Damals standen tagtäglich Demonstranten als Mahnwache vor dem Landgericht in Mannheim.
Das skandalöse Urteil im Fall des notorischen Auschwitzleugners Deckert hatte weltweite Empörung hervorgerufen …
... Jetzt wird das Mahnmal der Öffentlichkeit übergeben. Unseres Wissens gibt es in der Bundesrepublik bisher keine Gedenktafel, die im Text die Rolle der NS-Täter in der Justiz und die Nachkriegsgeschichte in dieser Deutlichkeit benennt. Worte, die vor 20 Jahren noch als Verunglimpfung der BRD durch „kommunistisch verblendete Ideologen“ bestraft wurden.
Es hat acht Jahre gedauert, und wir haben das Gefühl, unsere Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Im Verhältnis zu den fast 60 Jahren Vergessen, Verdrängen und Leugnen ist das dann doch schnell gegangen.
Es soll „kein Gras drüber wachsen“
Am 12. September 2007, und einige weitere Male, legt der Arbeitskreis Justiz den völlig verkrauteten Zugang zum Mahnmal für die Opfer der NS-Justiz wieder frei, damit die Aufforderung, sich dem Mahnmal zu nähern, um die gespiegelte Inschrift im Inneren zu lesen, wieder erkennbar wird.
Das Land lässt einige Jahre später den Split durch Gehwegplatten ersetzen. Die städtischen Gärtner achten beim Mähen der Wiese deutlich mehr auf Sauberkeit. Hin und wieder stellt jemand eine Kerze oder legt Blumen vor das Mahnmal. Nur einmal hat jemand einen rechtsextremen Aufkleber angebracht.