Die Todesurteile des Mannheimer NS-Sondergerichts
NS-Sondergericht – „Panzertruppe der Rechtspflege“
Das Sondergericht wird bereits am 27. 3. 1933 als Spezialkammer am Landgericht Mannheim eingerichtet. Das Landgericht und die Staatsanwaltschaft sind damals im Westflügel des Schlosses untergebracht. Das Sondergericht hält seine Sitzungen meist im jetzigen Amtsgericht ab, im Saal 2.
Zuständig ist das Sondergericht zunächst für politische "Delikte": es geht um das Ausschalten von Sozialdemokraten und Kommunisten; es richtet sich aber auch gegen "ernste Bibelforscher" und Katholiken und Leute, die politische Witze erzählen oder sonst irgendwie über Nazigrößen lästern. In der Zeit von 1933 bis 1938 werden vom Sondergericht Mannheim keine Todesurteile verhängt. Vermutlich haben aber lange Haftstrafen in KZs oder die Einweisung in Heil- und Pflegeanstalten letztlich auch den Tod bedeutet.
Erweiterte Zuständigkeit
Ab 1938 und besonders unmittelbar bei Kriegsbeginn 1939 wird die Zuständigkeit der Sondergerichte durch mehrere Gesetze und Verordnungen drastisch ausgeweitet, z.B. die Kriegswirtschaftsverordnung (darunter fielen Schwarzschlachten und Handel mit Lebensmittelmarken), die "Volksschädlingsverordnung" (Straftaten während der Verdunklung, Diebstahl bei Luftangriffen, „Plündern”, Feldpostunterschlagung). Praktisch alles, was - wie es hieß: „in der Öffentlichkeit Erregung hervorruft“, kann vor dem Sondergericht angeklagt werden. Gleichzeitig wird für viele „Delikte“ die Todesstrafe eingeführt.
Zum Tod verurteilt: die Opfer
Vor dem Mannheimer Sondergericht sind insgesamt ca. 3.000 Menschen angeklagt worden. In der Zeit zwischen 1938 und März 1945 wurden 84 Menschen zum Tode verurteilt. Fünf wurden begnadigt, zwei starben kurz vor ihrer Hinrichtung, für vier Verurteilte verhinderte das Kriegende die Vollstreckung des Todesurteils. 73 Menschen wurden aufgrund eines Urteils des Sondergerichts Mannheim hingerichtet.
Die meisten der zum Tode Verurteilten sind Leute aus einfachen Verhältnissen. Junge Männer, Mütter kleiner Kinder, ein älteres Ehepaar, Familienväter. Viele sind selbst ausgebombt, obdachlos, Gelegenheitsarbeiter. Auch Ausländer sog. „Fremdarbeiter“ sind unter ihnen. Manche sind bereits als „schwachsinnig“ oder als „Zigeuner“ abgestempelt und erfasst. Einige auch schon zwangssterilisiert.
Und ihre Taten?
Der eine nimmt ein paar Wurstdosen oder Kleidung aus einem zerstörten Keller mit, die andere ein Radio aus Ruinen, ein vermeintlich herrenloses Möbelstück im Hof. Oder sie kauft mit gefälschten Brotmarken ein. Über die Hälfte der Betroffenen haben solche - heute würde man sagen „Bagatelldelikte“ - begangen, zum eigenen unmittelbaren Verbrauch. Das hat damals ihre Aburteilung und Hinrichtung zur Folge: als „Volksschädling“ und „Plünderer“ oder - wenn schon vorbestraft - als „Gewohnheitsverbrecher“.
Die anderen Verurteilten haben größeren Betrug, Unterschlagung oder Gewalttaten begangen, die auch heute noch bestraft würden. Doch auch sie sind Opfer der NS-Justiz. Auch sie waren dem politischen Ziel der Nazis unterworfen, die "Volksgemeinschaft zu reinigen" und während des Krieges die Herrschaft an der „inneren Front“ aufrecht zu erhalten.