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Die Ausstellung

Die „Arisierung“ von Gegenständen des täglichen Gebrauchs

Das Buch „Betrifft: ‚Aktion 3‘. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn“ von Wolfgang Dreßen weckt unser Interesse. Es geht um die „Arisierung“ von Gegenständen aus Wohnungsinventar und Umzugsgut von Jüdinnen und Juden im Rahmen ihrer Deportationen oder Flucht. Wie lief das in Mannheim ab, ist spontan unsere Frage. Was wussten die Nachbarn, die sich Mobiliar, Geschirr, Kleidung usw. ergatterten? Wir holen die Ausstellung, die Dreßen mit Dokumenten aus dem Kölner Finanzamt zusammengestellt hat nach Mannheim. Und wir ergänzen sie mit Dokumenten zu Mannheim, die wir zusammen mit Studierenden der Uni Mannheim sichten.

Vitrinen der Ausstellung

Die Ausstellung wurde vom 9. November 2004 bis 27. Januar 2005 im Mannheimer Stadthaus auf der Ebene der Abendakademie gezeigt. Viele Besucher, darunter ca. 15 Schulklassen und auffallend viele ältere Menschen, haben die Texte und Dokumente intensiv gelesen, sehr viele sind zu den Veranstaltungen gekommen. Wir danken den regionalen Unterstützern der Ausstellung in Mannheim, insbesondere den Studierenden der Universität Mannheim für ihre Hilfe bei der lokalhistorischen Recherche, und für die Ausstellungsführungen in Zusammenarbeit mit dem Projekt "Netzwerk für Demokratie und Courage Baden-Württemberg".

 

Legalisierter Raub

Unmittelbar nach der Deportation der Juden - im Oktober 1940 von Mannheim in das Konzentrationslager Gurs/Südfrankreich, - wird deren zurückbleibendes Eigentum vom NS-Staat enteignet, versteigert und verkauft. Unter den Hammer kommen dabei nicht nur Schmuck und Kunstgegenstände der jüdischen Bevölkerung, sondern auch alltägliche Gebrauchsgüter wie Küchenstühle, Geschirr und Kleidung. Zu den neuen Besitzern zählten neben NS-Parteiorganisationen vor allem Privatleute. Nahezu jede ausgebombte Familie saß gegen Kriegsende an einem Tisch, der aus dem Besitz ehemaliger jüdischer Nachbarn stammte oder aus Wohnungen der Juden im besetzten Europa herangeschafft worden war. Für jeden geraubten Gegenstand gab es eine Quittung mit Herkunftsvermerk und Stempel, eine Unterschrift des zuständigen Beamten und einen neuen Nutznießer: Dokumente der Beteiligung und des Mitwissens großer Teile der deutschen Bevölkerung.

„Aktion 3” war der Deckname für die Deportation, „Aktion M” für die Überführung der „Beutemöbel“ aus dem besetzten Europa ins Reich.

Alles ordnungsgemäß

Besucher studieren interessiert die Texte

Die Enteignung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung sollte keineswegs der Straße überlassen bleiben. Gesetze und Verordnungen anstelle eingetretener Schaufenster und roher Gewalt führten zur systematischen Entrechtung und Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung. Gesetzestreue Handlanger, nicht brutale Schläger führten den Raubzug durch. Wer beteiligt war, sollte das Gefühl haben, dass er dafür keine Verantwortung zu tragen brauche. Penibel wurde der Anschein von Rechtmäßigkeit aufrechterhalten, auf den Pfennig genau. Jedes Detail war per Vorschrift geregelt. Diese Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft. Hinter der stufenweisen Entrechtung stand ein Plan: nach dem Raub kam der Mord. Das Geheimnis war kein Geheimnis, sondern Legalität. Alles geschah "ordnungsgemäß".

Nach 1945 herrscht Schweigen

Für die Mannheim-Vitrine herrscht großese Interesse

Der Unrechtsstaat war besiegt, die NSDAP und ihre Organisationen zerschlagen, doch die (Finanz-)Beamten arbeiteten durchweg weiter. Wiedergutmachungsansprüche überlebender Juden wurden oft von denselben Finanzbeamten geregelt, die vorher deren Hab und Gut verscherbelt hatten. Die wenigen zurückgekehrten Opfer mussten erneut in langen und entwürdigenden Prozessen nachweisen, dass dies und jenes ihr Eigentum gewesen war oder dass sie tatsächlich die Erben seien. Der Zugang zu den Akten und deren Veröffentlichung war ein schwieriges Unterfangen. Ein bleiernes Schweigen über die Täter und Nutznießer des legalisierten Raubes herrscht teilweise bis heute.

Fragen stellen!

Auch in Mannheim wurde nach der Befreiung 1945 vieles unter den Teppich gekehrt und der Mantel des Schweigens über die Mitschuld gelegt. Es wurde von den (Mit-)Tätern alles unternommen, um eine Vielzahl von NS-Unterstützer- und "Mitläufer"-Karrieren in Vergessenheit geraten zu lassen. Die großen Arisierungsgewinnler wurden - wenn auch sehr zögerlich - bekannt. Aber was ist mit den netten Nachbarn, die sich die Wäsche der deportierten Juden legal ersteigerten? "Wir haben doch davon nichts gewusst" und der "Überlebenskampf in den zerbombten Städten" ist über Jahre hinweg entschuldigend entgegnet worden. Dass sich die Mitmacher und Zuschauer dies nach dem Krieg nicht einmal eingestehen wollten oder konnten, dass sie ihre individuelle Schuld leugneten, dieses gesellschaftliche Versagen hat Ralf Giordano mit den Stichworten von "der zweiten Schuld" oder "dem großen Frieden mit den Tätern" treffend beschrieben.

Späte Früchte der Ausstellung

Aus einer Besprechungsniederschrift des Stadtarchivs Mitte Mai 2005: „Es wird eine Kooperation zwischen Universität Mannheim und dem Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte vereinbart mit dem Ziel, die durch den AK-Justiz und die von ihm durchgeführte Ausstellung angeregte Beschäftigung mit der Verwertung jüdischen Vermögens in Mannheim wissenschaftlich zu vertiefen und wenn möglich in ein größeres Forschungsprojekt münden zu lassen.“

Dies sollte dann einige Jahre später durch die wissenschaftliche Ausarbeitung des Themas „Arisierung“ und Wiedergutmachung in Mannheim durch Christiane Fritsche geschehen. Sie verfasste im Rahmen eines universitären Forschungsprojektes ein 1000-seitiges Werk mit dem Titel „Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt. Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim“

Programm der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung

Dienstag, 9. November 2004, 19.30 Uhr
Eröffnung der Ausstellung "Betrifft: Aktion 3" und Vortrag durch den Ausstellungsmacher Prof. Wolfgang Dreßen, Professor für Geschichte an der Fachhochschule Düsseldorf und Leiter der Arbeitsstelle Neonazismus.

Donnerstag, 11. November 2004, 19.30 Uhr Cinema Quadrat, Collinicenter
Film: "Der große Raub" und Diskussion mit den Regisseuren Henning Burk und Dietrich Wagner; Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen

Dienstag, 16. November 2004, 19 Uhr
Otto Köhler, Journalist, Hamburg: "Hitler ging - sie blieben"
Die gescheiterte Entnazifizierung, die politische und personelle Kontinuität in Deutschland nach 1945 und der "große Frieden mit den Tätern" (Giordano), sind die Themen Otto Köhlers bei dieser Veranstaltung.

Sonntag, 21. November 2004, 15 Uhr Paradeplatz,
Auf den Spuren staatlich organisierter Schnäppchenjagd im Nationalsozialismus.
Treffpunkt zum Rundgang in der Mannheimer Innenstadt: Kreuzung Breite Straße / Planken

Dienstag, 23. November 2004, 19 Uhr
Prof. Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, Frankfurt:
Antisemitismus - ein soziales Phänomen und seine Geschichte.
Der Lichtbildervortrag wird die Geschichte dieser oft mörderischen Haltung von der antiken Judenangst über den christlichen Antijudaismus und den mörderischen Rassismus der Nationalsozialisten, bis zum radikalen Islamismus unserer Tage nachziehen und analysieren.

Dienstag, 30. November 2004, 19 Uhr
Dr. Hilde Schramm, Erziehungswissenschaftlerin , Berlin, und Mitbegründerin der Stiftung "Zurückgeben": Biographische Verstrickungen
Was tun, wenn "Erbstücke" eine ganz andere Familiengeschichte erzählen? Die Stiftung "ZURÜCKGEBEN" möchte dazu anregen, die direkte oder indirekte Vorteilsnahme vieler während der NS-Zeit aus der Verfolgung jüdischer Bürger nicht zu verdrängen. Die Stiftung ermöglicht es, aus freien Stücken und symbolisch zurückzugeben. Die Großeltern von Hilde Schramm, Albert und Wilhelmine Speer, waren Mannheimer Bürger.

Donnerstag, 13. Januar 2005, 19 Uhr
Die Verwertung jüdischen Eigentums durch Deutsche in Mannheim.
Arbeitskreis Justiz in Mannheim und Studierende der Universität Mannheim präsentieren die Ergebnisse ihrer lokalhistorischen Erkundungen.

Donnerstag, 20. Januar 2005, 19 Uhr
Rainer Matthes, Lesung: "Es ist ja heute nicht schön, aber sehr interessant in Deutschland zu leben."
Lesung, unter anderem aus Briefen des jüdischen Rechtsanwalts Friedrich Jakobi, der den Krieg in Mannheim überlebte und in den frühen Nachkriegsjahren die Geschehnisse der NS-Zeit und Wiedergutmachung und seine Eindrücke schildert.

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