Beschluss des Bundestags

Dokumente und Bericht über die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw45-pa-kultur-medien-opfergruppen-664624

Dokumentiert sind dort auch die Anträge von Grünen, FDP und LINKE und der schließlich beschlossene Antrag der Großen Koalition. Der Beschluss über den Antrag der Regierungskoalition erging einstimmig. Die AfD enthielt sich der Stimme.

Anmerkungen von Frank Nonnenmacher zum Beschluss

Frank Nonnenmacher… Der Beschluss des Bundestages vom 13. Februar ist ein voller Erfolg unserer gemeinsamen Initiative. … Dazu, was dieser Beschluss aus meiner Sicht bedeutet und welche Weiterungen er haben sollte, habe ich einige Anmerkungen:

  • Durch diesen Beschluss erfahren die speziellen Opfergruppen sozialrassistischen und kriminalpräventiven NS-Unrechts die Anerkennung, die ihnen seit 75 Jahren durch Gesetzgeber und Gesellschaft verweigert wurde. Jetzt endlich können und werden die bisher ignorierten Opfergruppen einen Platz in der Erinnerungskultur erhalten.
  • Durch das 75jährige Zuwarten ist die Situation eingetreten, dass kaum noch eine Person lebt, die als Opfer in den Genuss einer materiellen Entschädigung kommen kann, ganz zu schweigen von einer geachteten Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Zynisch kann man sagen: Das hat sich die Bundesrepublik Deutschland gespart. Doch die Anerkennung durch den Bundestag ist auch bedeutsam für die Angehörigen und Nachkommen dieser NS-Opfer. Ein offeneres Umgehen mit der Familiengeschichte wird möglich, auch ein Zugänglichmachen der privaten Dokumente für die Forschung. Ein beschämendes und beschämtes Schweigen kann jetzt ein Ende haben.
  • Bedauerlich ist, dass eine Gruppe unter den von den Nazis „Berufsverbrecher“ genannten Opfer, die nach dem sogenannten „Polenstrafrecht“ Verfolgten, nicht eigens ausführlich gewürdigt werden - mit Ausnahme im Antrag der Fraktion DIE LINKE. Diese Menschen - Polinnen und Polen in den besetzten Gebieten - wurden nach einem laut den Nürnberger Prozessen gegen die Menschlichkeit verstoßenden Sonderstrafrecht wegen Nichtigkeiten zu hohen Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt, ab 1942 aus den Gefängnissen geholt, als „Berufsverbrecher“ in die KZ überstellt und dort in großer Zahl und sehr kurzer Zeit ermordet. Diese spezielle Opfergruppe eigens zu würdigen muss nachgeholt werden, nicht zuletzt auch als Geste der Empathie mit unseren östlichen Nachbarn.
  • Es haben heute vier inhaltlich weitgehend übereinstimmende Anträge vorgelegen - der gemeinsame GroKo-Antrag und je ein Antrag von B90/Grüne, FDP und Linke. Bedauerlicherweise gab es keine gemeinsame Entschließungsvorlage aller demokratischen Parteien. Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass die Oppositionsfraktionen (außer der AfD) dem Antrag der Großen Koalition zugestimmt haben, obwohl die GroKo deren in der Tendenz gleichen Anträge ablehnte. So konnte dann doch die angemessene breite Mehrheit entstehen.
  • Der Beschluss muss Folgen haben: Ausreichende Mittel zur Finanzierung ausstehender Forschungen müssen noch in diesem Jahr bereit gestellt werden z. B. zu Quellenforschungen von Einzelschicksalen, zu quantitativen Erhebungen, zur Erstellung einer abrufbaren Wanderausstellung und für Formate der historisch-politischen Bildung.
  • Nach wie vor gibt es keine organisierte Interessenvertretung der „vergessenen“ NS-Opfer oder ihrer Nachkommen, die den Prozess der Umsetzung der Beschlüsse vom 13. Februar 2020 beobachten und kritisch begleiten könnte. Deshalb müssen die Fraktionen, vor allem aber die kritische Öffentlichkeit den Entscheidungsprozess, z. B. um die Höhe des Finanzbedarfs und die Mittelbewilligung aufmerksam verfolgen.
  • Im Zuge der Umsetzung des heutigen Beschlusses müssen auch Vorschläge für Orte würdigen Gedenkens dieser Opfergruppen gemacht sowie - eventuell durch einen künstlerischen Wettbewerb - eine angemessene gestalterische Formensprache gefunden werden.

Berlin, am 15. Februar 2020 – Frank Nonnenmacher

Print Friendly and PDF